II. Weltkrieg: Haben die Alliierten massenhaft Waffen benutzt, um den Gegner zu verspotten?

Um einige Einwände vorweg zu widerlegen
"Wood for wood !"



Um die Bomber der Alliierten zu täuschen, haben die Deutschen überall in Europa Scheinflugplätze mit oft täuschend echten Flugzeugattrappen gebaut. Rund um diese Phantomgelände kursieren seltsame Geschichten, wonach die Alliierten dort Holzbomben abgeworfen haben, auf denen oft „wood for wood“ („Holz für Holz“) geschrieben stand. Der Historiker Pierre Antoine Courouble, Mitglied der nationalen Vereinigung der ehemaligen Flugplätze, hat sich für diese Art von Anekdoten interessiert, die von den britischen Führungskräften und der amerikanischen Internetseite „Snopes“ („snopes.com“) offiziell geleugnet und als bloße Gerüchte und allgemeines Gerede abgetan wurden. Krieg ist kein Spiel, weshalb sollte man das Leben eines Piloten und wertvolles Kriegsmaterial für solche Art Kalauer einsetzen?


Etliche Hypothesen stehen sich gegenüber…


Volkstümliche Legende, Gerücht?

Der Vorgang schien eher ein Kalauer aus der Offiziersmesse der Piloten oder Prahlerei an der Theke zu sein als ein allgemeines Gerücht, das sich durch einen revanchelüsternen Patriotismus übermäßig entwickelt hatte.

=> Courouble hat zahlreiche Beweise und Zeugenaussagen von Widerstandskämpfern, Zivilisten und Angestellten auf deutschen Flugplätzen, ja sogar von deutschen Piloten selbst gesammelt, die bezeugen, dass sie Abwürfe von Holzbomben miterlebt haben.

Ein historischer Irrtum?

Die Deutschen hatten falsche Holzbomben im Zusammenhang mit ihren Flugzeugattrappen hergestellt. Nach den alliierten Angriffen glaubten die Zeugen, dass die Holzprojektile, die sie auf dem Boden vorfanden, von den Alliierten stammten.

=> Niemand hat behauptet, die Deutschen hätten Holzbomben als Köder benutzt, weder die Deutschen selbst noch die Franzosen.

Eine Beseitigung von Überflüssigem?

Die Alliierten hatten zum Üben zahlreiche Holzbomben, die die Depots der Waffenmeister verstopften. Um diese loszuwerden, haben sie sie gemeinsam mit scharfen Bomben in die Bomber geladen.

=> Alle Zeugen berichten von gezielten Abwürfen, ohne dass Holzbomben und scharfe Bomben vermischt waren. Holzbomben für die Attrappen und scharfe Bomben auf echte Flugplätze und manchmal mit der Aufschrift „Wood for Wood“ und „Steel for steel“.

Waren es individuelle Initiativen der Piloten?

Die Piloten waren 20 Jahre alt; manche von ihnen beteiligten sich an Aktivitäten dieser Art, um den Feind zu verspotten. Diese Aktivitäten wurden nicht von der Führung veranlasst.

=> Viele Zeugen berichten über Abwürfe von Holzbomben, die durch eine Mitteilung der Widerstandsbewegung nach London veranlasst wurden. Diese Fälle lassen auf eine perfekte Kenntnis der Alliierten über die deutschen Aktivitäten schließen und wurden als angemessene Antwort betrachtet.

Eine Maßnahme der psychologischen Kriegsführung?

Der englische Geheimdienst „SOE“ arbeitete eng mit dem französischen Widerstand zusammen. Sie verfügten über eine Gruppe, die sich mit psychologischer Kriegsführung befasste. Eine ihrer Aufgaben war es, Flugblätter und Holzbomben abzuwerfen, um den Feind zu demoralisieren.

=> Die britische Führung hat dies stets geleugnet. Sie nahm sogar Anstoß an diesem Thema und sagte: „Wir sind nicht Monthy Python! Krieg ist kein Spiel!“

ALLE DIESE SPUREN WERDEN IN DEM FILM
„WOOD FOR WOOD“ VON PIERRE ANTOINE COUROUBLE UNTERSUCHT


Um einige Einwände vorweg zu widerlegen…

„Oft wird die Wahrheit verdunkelt, aber sie erlischt nie.“ Titus Livius



Obwohl ich in dem Buch „Das Rätsel der Holzbomben“ den Sachverhalt klar dargelegt habe, kreisen im Web langlebige Einwände, die so tun, als ob es mein Buch nicht gäbe. Einige Beispiele:


„Eine Internetseite über Legendenbildungen entzaubert die Geschichte.“

=> Die amerikanische Internetseite Snopes entzaubert tatsächlich nichts und macht nichts anderes als Beweis, als eine einzige Zeugenaussage zu kritisieren (den Artikel des Journalisten William Shirer), während wir mehrere hundert Zeugenaussagen gesammelt haben, von denen die meisten direkte Zeugen oder unmittelbar Beteiligte waren…


„Ein Holzprojektil, das man aus mehreren tausend Fuß über dem Erdboden abgeworfen hätte, wäre zu zahlreichen Zahnstochern zerfallen.“ .

=> In den 30er und 40er Jahren haben Holländer, Engländer und Amerikaner mit Holzbomben geübt. Die sind nicht nur heil geblieben, man konnte sie auch erneut verwenden. Einige von ihnen (GB) waren mit Sand gefüllt und ausdrücklich entwickelt, um am Boden zu zerplatzen. Niederländer und US-Amerikaner bauten kleinere Holzbomben mit Metallring. Sie blieben intakt und sind uns bis heute erhalten geblieben.


„Eine große Holzbombe mit Fallschirm abzuwerfen, hätte nicht das angestrebte Ziel getroffen.“

=> Die langsamen Flugzeuge des SOE schafften das in der Regel, zumal die Scheinflugplätze die Größe von mehreren Fußballfeldern hatten.


„Solche Vergnügungsflüge waren undenkbar, denn die Deutschen hätten nicht mit Spielzeugkanonen zurückgeschossen.“

=> Wieder falsch gedacht. Das Risiko beim Überfliegen eines Scheinflugplatzes ging gegen Null, denn die Deutschen verteidigten sie nicht. Viele Zeugen beweisen, dass Kinder sie oft als Spielplatz benutzten.


„Im Januar 1941 hatte die britische Militärpropaganda ins Auge gefasst, die Sache mit den Holzbomben zu veröffentlichen, aber sie hat davon Abstand genommen, weil sie fürchtete, damit ihre Informanten (die Résistance) zu verraten.“

=>Genau das beweist, dass die Engländer den Abwurf von Holzbomben für einen wichtigen Bestandteil der psychologischen Kriegsführung hielten.


„Ein Bombardement mit einem einzelnen Flugzeug wäre Selbstmord gewesen.“

=> Wieder eine Fehleinschätzung. Seit 1942 gehörten Attacken einzelner Jagdbomber zum Alltag. Manche Flugzeuge, die der Aufklärung und Beobachtung als Unterstützung der Bodentruppen dienten, waren genau mit diesen Holzbomben ausgerüstet, mit denen sie Zeichen markierten.


„Es war kostspielig und unproduktiv, Abwürfe von Holzbomben auf Scheinanlagen durchzuführen, weil man viel zu sehr mit echten Angriffen befasst war.“

=> Alle Zeugen von Holzbombenabwürfen sagen aus, dass diese mit echten Angriffen kombiniert waren. Man warf also gleichzeitig echte und hölzerne Bomben ab.


„In englischen Archiven gibt es kein einziges Dokument, das Hinweise auf Holzbombenabwürfe enthält.“

=>Nach der Ansicht von Veteranen verhinderte die Hierarchie, dass die militärische Führung von diesen Aktivitäten der „Frontschweine“ erfuhr. Nach der Ansicht von Dr. Benamou handelte es sich um „psywar“, um psychologische Kriegsführung. Wenn diese überhaupt in den Akten Eingang fand, so ist es sehr wahrscheinlich, dass sie vernichtet wurden, da nach dem Krieg 90 Prozent der Archive „zufällig“ verbrannten. Im Übrigen wurden alle Mitglieder des SOE verpflichtet, lebenslang über ihre Arbeit zu schweigen.

Peter Haas, Das Rätsel der Holzbomben

Ich hätte nicht gedacht, dass ein Thema, das aus Südfrankreich an mich herangetragen wurde, auch für unsere Region bedeutend werden könnte. Aber ich sollte mich täuschen. Hier ist der Sachverhalt:

Anfang des Jahres erreichte mich aus Südfrankreich die Anfrage, ob ich bereit sei, ein französisches Buch ins Deutsche zu übersetzen. Da ich neugierig bin, sagte ich ja. Wenige Tage später bekam ich das Buch zugeschickt. Es heißt „L´énigme des bombes en bois“, „Das Rätsel der Holzbomben“. Darin beschreibt der französische Autor Pierre Antoine Courouble ein Thema aus dem II. Weltkrieg, das zuvor noch nicht dargestellt wurde. Aus unterschiedlichen Gründen wurden im Krieg nicht nur Spreng-, sondern auch Holzbomben abgeworfen. Davon hatte man immer wieder gerüchteweise erzählen gehört, aber niemand wollte das so recht wahrhaben. Im Mai 2009 beförderte Pierre Courouble das Gerücht in den Status der Tatsache. Er hatte Zeitzeugen und schließlich auch Holzbomben gefunden, die das Buch, den Text ergänzend, auf 86 Fotos zeigt.

„Tarnen, täuschen und jegliche Form der Aufklärung waren und sind wesentliche Maßnahmen militärischer Kriegführung“, schreibt der General der Luftwaffe a. D. Eberhard Eimler im Vorwort der deutschen Ausgabe. In diesem Zusammenhang sind auch die Holzbomben zu sehen, die wiederum in engem Bezug zu den vielen Scheinanlagen stehen, die es im Krieg bei allen Kriegsteilnehmern gab. Die Engländer z. B. hatten etwa 400 richtige Flugplätze und rund 250 Scheinanlagen. Deutschland und die von den Deutschen besetzten Gebiete betreffend, verfasste die britische Luftwaffe, RAF, 1941/42 ein „Gazetter of decoys“, ein geographisches Verzeichnis der Scheinanlagen der Wehrmacht. Genannt und beschrieben wurden rund 600 Orte. Über diesen Sachverhalt und das Buch hatte der Rhein-Sieg-Anzeiger im August einen ganzseitigen Beitrag veröffentlicht.

Da der Autor überwiegend in Belgien und Frankreich recherchierte, kommen Scheinanlagen innerhalb Deutschlands nur am Rande vor. Aachen und Grevenbroich sind die uns am nächsten gelegenen Orte. Deshalb hatte ich mich zum Termin mit der Presse ein wenig in unserer Umgebung umgeschaut. So konnte ich ergänzen, dass die Dynamit AG im Bereich der späteren belgischen Kaserne in Spich eine Scheinfabrik angelegt hatte. Karlheinz Ossendorf hatte darüber im Troisdorfer Jahresheft von 1986 geschrieben. „Scheinanlagen zogen die Bomben magisch an“, überschrieb er seinen Aufsatz. EinHeimatforscher aus St. Augustin weiß von Scheinflugplätzen rund um den Flugplatz Hangelar auf dem Gelände von Gut Großenbusch und westlich von Geislar. Heinrich Brodeßer – wie übrigens auch die Gazetter of decoys – kennen den Scheinflugplatz zwischen Rheidt und Kriegsdorf.

Harald Hartmann aus Hangelar lässt sich als ein sehr erfahrener Hubschrauber-Pilot und –Lehrer so schnell kein X für ein U vormachen. Er erzählte, sein Vater, ein Bauunternehmer, habe im Krieg den Auftrag bekommen, am Westwall einen Scheinflugplatz zu bauen. Kaum war er fertig, hätten die Engländer eine Holzbombe darauf geworfen, um zu zeigen, dass sie die Attrappe erkannt hätten.

Karlheinz Ossendorf schreibt in seinem Aufsatz unter anderem über Bombenabwürfe der Engländer auf den Scheinflugplatz Rheidt-Kriegsdorf und Attrappen bei Mülldorf, Spich, Libur und Altenrath.

Da ich auch von einem Scheinflugplatz zwischen Eil und dem Gestüt Röttgen am Maarhäuser Weg gehört hatte, wandte ich mich an Wolf Raudsep, den Schriftleiter des Jahrbuchs „Rechtsrheinisches Köln“, der mich an seinen Vorgänger Gebhard Aders verwies.

Gebhard Aders vermittelte mir nicht nur Auszüge aus dem „Gazetter of Decoys“, sondern er teilte mir weitere Scheinanlagen aus der Region mit. Hier ein Auszug aus seiner Mail im Wortlaut:

„Die Schulchronik von Porz-Eil erwähnt eine Bruchlandung eines deutschen Jägers nach Start in Wahn in dem Scheinbahnhof (an der Straße) Hirschgraben in Eil Ende 44… Die Schulchronik von Libur erwähnt eine Scheinanlage südlich des Ortes, die ich bislang nicht nachweisen konnte. Nach Zeitzeugenaussagen soll es sich aber um eine Schein-Fabrik gehandelt haben. Weiterhin sprachen Zeitzeugen von riesigen Alufolien, die bei Langel einen anderen Rheinverlauf vortäuschen sollten.“

Dass man sogar ein Stück „Schein-Rhein“ angelegt hat, ist wohl besonders verblüffend. Wenn man aber weiß, dass die Franzosen schon im I. Weltkrieg geplant hatten, alle sechs Kopfbahnhöfe von Paris außerhalb der Stadt als Scheinbahnhöfe zu bauen, so wird der Schein-Rhein fast zur Normalität. In Paris schaffte man es übrigens nur, den Ostbahnhof östlich der Stadt aus Holz und anderen Materialien nachzubauen.

Angaben zum Buch:

Pierre Antoine Courouble, Das Rätsel der Holzbomben, Übersetzung von Peter Haas
Edition les Presses du Midi, 121 avenue d´Orient, 83100 Toulon
ISBN: 978-2-8127-0156-6
Erhältlich im Buchhandel, Preis 20,- EUR
Das Buch kann man auch per Internet direkt vom Verlag erwerben:
Mail: contact@ lespressesdumidi.fr
Internetseite: www.lespressesdumidi.fr